Buenos Aires Teil 4 Demonstration am 24.3.2016
Der 24. März ist in Argentinien ein Feiertag. Als ich mich das erste mal mit dem Datum beschäftigte wurde ich stutzig. Den Tag des Militärputsches als Feiertag zu bezeichnen empfand ich als abwegig. Der Tag ist aber nicht der Feiertag des Militärputsches, sondern ein Gedenktag, an dem eines der dunkelsten Kapitel der argentinischen Geschichte begann. Es ist vor allem auch ein Gedenktag an die 30000 ermordeten Menschen während der 7 jährigen Militärdiktatur, ein Gedenken an die Ermordeten und Verschwundenen.
Am 24.3.1976 wurde Isabel Peron durch einen Militärputsch ihres Amtes enthoben, das Parlament aufgelöst. Die Rechte des Volkes wurden durch die neuen Machthaber mit Füssen getreten und ab dem 24. März wurde das Land mit Folter und Mord überzogen. Anfangs genoss das Militär noch Rückhalt in großen Teilen der Bevölkerung, versprach es doch, „Ruhe und Ordnung und wirtschaftlichen Aufschwung“ herbeizuführen und schnell wieder zur Demokratie zurückzukehren. Nach einer kurzen Phase der Stabilisierung brach die Wirtschaft jedoch wieder ein, die Inflation erreichte Höchstwerte und der Terror gegen das eigene Volk erreichte ein nicht geahntes Ausmaß, vor dem auch Ausländer nicht verschont blieben. Die Staatsverschuldung stieg von 1976 bis 1983 um 700% an, doch nahm das Vermögen von Argentiniern im Ausland auch deutlich zu. Das war aber bestimmt kein Geld vom Landarbeiter in Patagonien, dem Busfahrer in Buenos Aires oder dem arbeitslosen Handwerker aus Mendoza. Wie auch jetzt in europäischen Krisenländern haben die Reichen ihr Geld sicher auf ausländischen Konten deponiert.
Aus der Chronik der Militärdiktatur nehme ich hier nun ein paar Aussagen:
- Kurz nach der Machtübernahme hatte General Luciano Menendez „großangelegte Säuberungsaktionen“ angekündigt. Was er damit meinte hatte er auch genauer beschrieben. Danach soll er folgende Aussage gemacht haben: “ Wir werden 50000, Menschen töten müssen, 25000 Subversive. 20000 Sympathisanten und wir werden 5000 Fehler machen.“ Das ist angekündigter Mord. De Junta hat nicht 5000 Fehler gemacht sondern mehr als 30000 Fehler. Menendez wurde erst 2008 als 81 jähriger zu lebenslanger Haft verurteilt und auch in ein Gefängnis überführt, vorher hatte er Hausarrest.
- Der US- Außenminister sagte Vertretern der Militärdiktatur 1976, sie mögen „ihr Terrorismusproblem“ so schnell wie möglich unter Kontrolle bringen. Der US Botschafter soll sich über diese Aussage beschwert haben, fasste es die Militärjunta doch als Freibrief für das Morden der politischen Gegner auf. (Wie in fast allen Ländern Südamerikas, in denen in den 70 und 80 Jahren des letzten Jahrhunderts Militärdiktaturen an der Macht war, kam der Widerstand aus dem linken Lager).
- 1977 erklärte Admiral Emilio Massera, einer, wenn nicht gar der Hauptverantwortliche für Folter und Ermordung: „Die aktuelle Krise der Menschheit ist drei Männern geschuldet: Zum Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte Marx die drei Bände seines Kapitals und säte mit ihnen Zweifel an der Unverletzlichkeit des Eigentums; Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die geheiligte Intimsphäre des Menschen angegriffen durch Freud mit seinem Buch die Traumdeutung, und schließlich hat Einstein 1905 mit seiner Relativitätstheorie die statische Vorstellung von der Materie und ihrem Untergang untergraben.“– Emilio Massera: Interview in La Opinión am 25. November 1977
- Auch die deutschen Behörden und politischen Vertretungen kommen nicht gerade gut weg. Es soll auch ca 100 verschwundene Deutsche geben. Politisch wurde die Diktatur gedeckt. Bei einem Staatsbesuch in Argentinien im Juli 1976 lobte der Staatsminister im Bonner Auswärtigen Amt, Karl Moersch, zunächst die neue Wirtschaftspolitik der Militärregierung und sodann auch deren Maßnahmen bei der Bekämpfung des Terrorismus. ( zu diesem Zeitpunkt war bereits die Verschleppung und Ermordung mehrerer Deutscher bekannt). Hierzu passt auch die Aussage einer Angehörigen eines Opfers, dass ein „verkaufter Mercedes wohl mehr wert sei als ein Menschenleben“.
- Und der Deutsche Fußballbund schlug die gleiche Richtung ein. Während der Fußball WM 1978 in Argentinien besuchte der ehemalige Fliegeroffizier und nationalsozialistische Propagandist Hans-Ulrich Rudel die deutsche Nationalmannschaft im Trainingsquartier in Ascochinga. Hermann Neuberger, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, verteidigte den Besuch mit den Worten, eine Kritik an Rudels Erscheinen käme „einer Beleidigung aller deutschen Soldaten gleich“. Die rechtsextreme Presse wie die Deutsche Nationalzeitung begrüßte Neubergers Verhalten und das der Nationalmannschaft. Neuberger rügte die Spieler des Finalteilnehmers und Vize-Weltmeisters Niederlande, da sie dem argentinischen Diktator Videla und den Mitgliedern der Militärjunta den Handschlag verweigerten. Dieses Verhalten, welches auch vom nicht berücksichtigten Paul Breitner gefordert wurde, hatte Neuberger zuvor für den Fall der Finalteilnahme den deutschen Spielern untersagt.
Seit 1977 bis heute treffen sich jeden Donnerstag die „Madres de Plaza de Mayo“ , die Mütter der Verschwundenen, auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast und drehen schweigend ihre Runden. Ihr Erkennungszeichen sind weiße Kopftücher.
Auch diese Gruppe war auf der Demo vertreten wie auf einer anderen Demo am Vortag auf der Plaza Dorrego, einem beliebten Ausflugsplatz in San Telmo, wo der verschwundenen des Stadtteils gedacht wurde
Warum schreibe ich soviel über die Zeit der Militärdiktatur? Die Beispiele zeigen deutlich, wohin der Weg, auch in einem modernen Land wie Argentinien, der Rechtsextremismus führen kann und auch das der kurze wirtschaftliche Aufschwung zu Lasten der Freiheit geht und in eine Unterdrückung des eigenen Volkes führt. Die Reichen des Landes verdienen noch daran und haben ihre Gelder in sichere Länder gebracht. (Dazu passt gerade heute die Berichtserstattung zu den „Panama Paper“, den Briefkastenfirmen. u A wird auch Argentiniens neuer Präsident Macri darin erwähnt).
So ist für mich die Demo am 24.3 nicht nur eine Demonstration gegen das Vergessen der Ermordeten sondern auch eine Demonstration gegen den Rechtsextremismus. Uns wenn wir glauben, so etwas könne bei uns nicht passieren, so schauen wir einmal in die USA auf die Parolen eines gewissen Donald Trump oder nach Sachsen und Sachsen Anhalt. Das Musterländle ist auch nicht davor sicher, hat doch die AfD bei der letzten Landtagswahl 15% der Stimmen bekommen und dabei sogar einige Direktmandate erhalten. Das ist mehr als bedenklich.
Posted in Südamerika by gerdjanke with no comments yet.
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