Buenos Aires 1

Buenos Aires am 8.März 2016

„Mala Junta“ „Patria Grande“
und noch häufiger „ legalizar aborto“.
das waren die am häufigsten zu sehenden Plakate auf der Demo. Aber der Reihe nach. Am Vormittag deutete noch nichts auf eine Demo am Nachmittag hin.
Da ich in der letzten Nacht schlecht geschlafen habe  hielt ich ausgiebig Siesta und gegen 17.00 Uhr mache ich mich auf den Weg in mein Stammcafe Iberia, nur einen Block von meinem Hotel entfernt direkt an der Avenida de Mayo, mitten in Buenos Aires. Es sind jetzt angenehme Temperaturen in Buenos Aires, nachmittags zwischen 25 und 28 Grad, so dass man sehr gut im Freien sitzen kann. Aus der Ferne dringen Trommeln zu mir –es war gar nicht weit, nur 5 Blocks entfernt vom Plaza Congreso (zu den Entfernungsangaben schreibe ich später noch etwas)- . Jetzt registriere ich auch, dass auf der Av de Mayo, einer mehrspurigen Einbahnstraße, kein Verkehr ist und als dann noch ein Fahrzeug mit Blaulicht entgegen der Fahrtrichtung unterwegs ist, dämmerte auch mir, dass die Trommeln mit einem Demonstrationszug zu tun haben, der heute am Weltfrauentag stattfindet. Die Av. De Mayo verbindet den Plaza Congreso, an dem der Nationalkongress seinen Sitz hat, mit der Plaza de Mayo an dem sich der Präsidentenpalast befindet. Also auch eine perfekte Strecke für einen Demozug, stellen die beiden Plätze doch das Zentrum der Macht da.
Ca. 2 Stunden dauerte es, bis der Zug an mir vorbei war. Eines der Hauptanliegen der Demonstranten war die Legalisierung der Abtreibung. So gab es 2012 ein skandalöses Urteil in Buenos Aires, in dem eine Richterin per einstweiliger Verfügung die vom obersten Gericht für legal erklärte Abtreibung nach einer Vergewaltigung verbot. Auch wenn das Urteil der Richterin später kassiert wurde, zeigt es doch, wie hart hier die Fronten sind. Wie ich jetzt gelesen habe, soll ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Kalenderwoche legal sein. Doch scheint es an der Umsetzung noch zu hapern. So plant z.B die Regierung der Provinz Buenos Aires mobile Kliniken, da erwartet wird, dass viel Kliniken ihren Ärzten aus Gewissensgründen die Abtreibungen untersagen.
Umso erstaunlicher ist es, dass es in Argentinien sehr liberale Gesetze gibt, nach denen jeder sein Geschlecht selbst bestimmen kann, ohne psychologische Gutachten. So etwas gibt es meines Wissens und nach G…Wissen sonst nur noch in Dänemark und man staune im katholischen Irland. Einmalig ist aber, dass Transsexuelle (auf dem Papier) einen besonderen Schutz genießen und bei Stellenbesetzungen bei gleicher Eignung bevorzugt werden müssen. Ich halte diese Regelung allerdings für eine Farce, da die meisten Transsexuellen schon im Jugendalter von den Familien verstoßen werden, daher auch selten einen Schulabschluß, geschweige einen Berufs- oder Studienabschluss haben und somit bei der Frage der Eignung schon durchfallen. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt in Argentinien bei 76 Jahren, bei den Transsexuellen jedoch nur bei 37 Jahren, da viele Opfer von Gewalttaten werden und auch die Suizidrate extrem hoch ist. Weiterer lebensverkürzender Aspekt ist die hohe Aidsrate, da vielen nur der Weg in die Prostitution bleibt, um zu überleben.
Wie viele Demonstranten an mir vorbeizogen, vermag ich nicht einzuschätzen. Doch wenn auf einer 5 spurigen Straße es ca. 2 Stunden dauerte, bis auch die Nachhut, bestehend aus 2 Polizisten auf dem Fahrrad und einer Motorradstreife, vorbei war, so mögen es bestimmt mehrere Tausend oder gar zehntausend gewesen sein.
Ob Argentiniens neuer konservativer Präsident Macri sich der Frauenrechte annimmt ist eher zweifelhaft. In der ersten Woche nach seinem Amtsantritt hat er den nationalen Notstand ausgerufen, um per Präsidialdekret zu regieren. Bereits im ersten Monat seiner Amtszeit soll er 261 Präsidialdekrete erlassen haben. Auch die freien Medien sollen bereits Einschränkungen erlitten haben und bei den Sozialleistungen werden Kürzungen erwartet. Etliche Mitglieder seines Kabinetts waren bereits in der letzten Militärdiktatur hochrangige
Regierungsmitarbeiter und als Agrarminister hat er einen hochkarätigen Manager aus dem Monsatokonzern bestellt. Doch davon war bisher in unserer Presse nicht zu lesen, nur Lob für“ den neuen Mann der Mitte“.

Gerd aus Buenos Aires

PS.: Die obigen Aussagen habe ich nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert. Ich würde mich für Argentinien freuen, wenn wieder die Demokratie Einzug hält und die Freiheit und Menschenrechte nicht der Wirtschaft geopfert werden. Argentinien hat eine lange Zeit der Militärdiktatur erlebt mit zig Tausend Todesopfern und Vermissten. In Chile, dass auch unter der Militärdiktatur gelitten hat, wird an vielen Plätzen der Opfer gedacht. In Buenos Aires habe ich nur eine Gedenkstätte, versteckt unter einer Autobahnbrücke an einer Schnellstraße, gesehen.

Gedenken der Opfer der Militärdiktatur

Gedenken der Opfer der Militärdiktatur

Hingegen gibt es, besonders im Süden des Landes zig Gedenkstätten zum Falklandkrieg und ebenso viele Militärdenkmäler mit ausrangierten Flugzeugen oder Geschützen. Auch soll der neue Präsident wieder das Portrait des letzten Militärdiktators in der Ahnenreihe der Präsidenten aufgehängt haben.


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