Chile – Argentinien viele Grenzübertritte

San Rafael Argentinien

Die Südspitze Amerikas 17.12. 2015 bis 17.01.2016

Es ist Mittagszeit und ich habe mir auch die notwendige Infusion für eine ausführliche Siesta geholt. Doch mein Hostel liegt noch einige Blocks entfernt und so greife ich noch zum Schreibblock, um den letzten Monat Revue passieren zu lassen. Sylvester wollte ich ja unbedingt in Ushuaia sein, um dann in Argentinien meine Reise fortzusetzen.

Hier nun eine Aufzählung der notwendigen Grenzübertritte, um mit dem Fahrzeug Ushuai zu erreichen und dann in Argentinien die Reise fortzusetzen.

  1. Chile – Argentinien in Chile Chico
  2. Argentinien – Chile in Rio Turbio
  3. Chile – Argentinien in San Sebastian auf Feuerland um nach Ushuaia zu fahren
  4. von Ushuaia zurück Argentinien – Chile in San Sebastian
  5. Chile – Argentinien in Cerro Castillo
So füllt sich natürlich der Reisepass mit den ein- und Ausreisestempeln. Die Grenzbeamten gehen aber sparsam mit den Seiten im Pass um, so dass in der Regel zwei Grenzübertritte auf einer Seite Platz haben. Die Grenzabfertigungen laufen in der Regel unproblematisch ab und selbst der kleinste Grenzübergang war über Internet verbunden und die Daten, sowohl meine als auch die des Motorrades, waren gespeichert. Nur einmal, die Chilenen haben noch eine Lebensmittelkontrolle, da die Einfuhr von Fleisch und Obst verboten ist, musste ich eine Zitrone abgeben, die ich unwissentlich noch in meiner Provianttasche hatte. An jeder Grenze haben die Chilenen, wie auf Flughäfen, die Möglichkeit, das Gepäck zu durchleuchten. Andere Reisende erzählten, dass sie schon mal das ganze Gepäck vom Motorrad abnehmen mussten. Auch habe ich Busse gesehen, die das gesamte Gepäck der Reisenden ausladen mussten. Davon blieb ich bisher verschont. Es ist doch gut, wenn man gleich als braver Ex-Beamter erkannt wird.

Auf meiner ersten Etappe in Argentinien habe ich dann Freundschaft mit der Ruta 40, der legendären Nord -Süd Verbindung im Westen Argentiniens, geschlossen.

alter Ochsenkarren an der Ruta 40, der Kutscher saß über 2 Meter hoch. Mein Motorrad zum Vergleich

alter Ochsenkarren an der Ruta 40, der Kutscher saß über 2 Meter hoch. Mein Motorrad zum Vergleich

Der Vorteil dieser Straße im Süden Argentiniens ist, dass man unentwegt alle möglichen Gedanken kreisen lassen kann und man den Blick bis zum Horizont hat. Vielleicht ist da ja eine Kurve! So sieht man z.B in weiter Ferne einen Regenschauer, der Wind kommt von rechts, der Regenschauer ist auch noch rechts von der Straße. Nun beginnen die Überlegungen:

Zieht der Regenschauer vor mir vorbei?
Macht die Straße evtl eine Biegung nach rechts? Das wäre unter Umständen gut, wenn der Regenschauer sonst die Straße kreuzen würde.
Oder macht die Straße eine Biegung nach links? Das wäre genau falsch, denn dann fahre ich garantiert in den Schauer hinein.
Ist der Regenschauer nur sehr klein?
Oder halte ich an und ziehe mir die Regensachen über?
Ihr seht, man muss schon schwere Entscheidungen treffen und das ganze ohne Computer. Die Ruta 40 ist nicht langweilig, wie oftmals beschrieben.

Da ich an der Ruta 40 gefesselt bin und ein Ausweichen meinerseits nicht möglich ist, habe ich mir doch einige Regenschauer gegönnt.

eines der berühmten Verkehrsschilder auf dieser Welt, unverkennbar an der Ruta 40 in Argentinien

eines der berühmten Verkehrsschilder auf dieser Welt, unverkennbar an der Ruta 40 in Argentinien

In der endlosen Weite Patagoniens gibt es nur wenige Ortschaften und noch weniger Tankstellen. Die meisten Ortschaften bestehen eh nur aus ein paar Häusern. An einer der wenigen Tankstellen gönnte ich mir einen Kaffee und glaubte, mich im Preis verhört zu haben. Nicht ganz der Preis wie auf dem Marcusplatz in Venedig, doch wenn man die Qualität des Kaffee mit berücksichtigt, dann war er teurer. Nach dem offiziellem Umrechnungskurs wären es 3 Euro für eine Tasse Wasser mit dem Kaffeepulver. Dazu noch unfreundliche Menschen im Lokal. Sollte es etwa in Argentinien überall so unfreundlich sein? Ich kann euch beruhigen, es war bisher die einzige Situation dieser Art. Vielleicht habe ich auch nicht gerade freundlich aus der Wäsche geschaut.
Ein kleiner Abstecher zum Wechselkurs: Bis Mitte Dezember gab es in Argentinien einen  fast legalen Schwarzmarkt zum Wechseln. Der offizielle Kurs für einen Euro war ca.10 Peso. Auf dem Schwarzmarkt bekam man zwischen 14 und 15 Peso für einen Euro. Die größte Tageszeitung in Argentinien veröffentlichte z. B täglich die aktuellen Schwarzmarktkurse hier Dollar Blue genannt. Mitte Dezember hat die Regierung den Peso abgewertet, so dass dieser jetzt dem alten Schwarzmarktpreis entspricht.
Aber weiter auf meiner Reise Richtung Süden.
Einige Stunden nach meiner Kaffeepause konnte ich mich von der Gastfreundschaft der Argentinier überzeugen. Die nächste Stadt war noch mehr als 100 km entfernt. Es war kalt, regnerisch und natürlich windig.
Einen Platz für mein Nachtlager/Zeltlager, das einigermaßen geschützt war, war nicht in Sicht. Ich war schon an dem Schild vorbei gefahren, dass auf eine Estancia hinwies und ich beschloss, wie schon sooft auf dieser Reise, umzukehren. Nach ca. 2 Kilometern erreichte ich die Estancia und wurde von Damian, dem Vorarbeiter begrüßt. Auf meine Frage nach  einem Nachtlager bot er mir die Unterkunft der Saisonarbeiter an. Der Patron, der in einem Extrahaus logierte, war nicht anwesend, und so war Damian für die Farm verantwortlich. Am Abend gab es dann ein einfaches Essen, natürlich mit Rindfleisch, und anschließend noch etwas Alkoholisches. Zum Essen gesellten sich noch zwei weitere Farmbewohner zu uns.

An diesem Abend wurde mir wieder bewusst, wie glücklich Menschen mit einem besserem Fremdsprachverständnis sein können, da die Verständigung doch sehr sehr schleppend war. Ein Muss war aber auch der Besuch des Perito Moreno Gletscher in El Calafate. Erst fährt man stundenlag durch das Nichts, um dann plötzlich in einem Touristen Hotspot zu landen.

 

Der wohl bekannteste Gletscher in Argentinien/Chile, der Perito Moreno

Der wohl bekannteste Gletscher in Argentinien/Chile, der Perito Moreno

Weiter ging es Richtung Chile (siehe oben) und in Puerto Natales, dem Eingangstor zum berühmten Nationalpark Torres del Paine, machte ich wieder Station. Der Park ist ein Muss auf jeder Südamerikareise und auch ich verbrachte zwei Nächte dort. Im Park sprechen die Trekkingexperten nur in Buchstaben, vom W, oder O dem Q. Damit sind die Trekkingrouten gemeint. Das W ist für die Anfänger und man kann fast jederzeit aussteigen oder die Tour in Etappen machen. Das O bezeichnet die Rundtour für die Experten und das Q beinhaltet noch einen Abstecher in eine Sackgasse. Ich habe mich für keine der Varianten entschieden und stattdessen die kleinen Schönheiten am Rande genossen.

im Park Torres del Paine

im Park Torres del Paine

das ist wohl ein männlicher Andenkondor im Park Torres del Paine

das ist wohl ein männlicher Andenkondor im Park Torres del Paine

In Puerto Natales konnte ich mal wieder sehen, wie klein die Welt ist. Hier traf ich auf Kerstin und Stefan (www.einspurig-reisen.de) aus Landsberg am Lech, die wiederum den Inhaber vom Outdoorladen Wind & weather in Landsberg kennen, den ich vor einigen Jahren in Gambia getroffen habe und Kerstin und Stefan sind in Südafrika einige Tage mit Irmela und Ralf, zwei Motorradfahrer aus München, unterwegs gewesen, die ich wiederum in Togo getroffen habe.
Weiter ging es nach Punta Arenas, einst ein bedeutender Hafen bei der Umrundung Südamerikas an der Magellanstraße. Die Argentinier kommen in Scharren hierher, um in der sogenannten Zona Franca einzukaufen, einem riesigen Einkaufszentrum in einer steuerbegünstigten Zone und daher für Argentinier besonders preisgünstig.
Normalerweise will ich keine Werbung für irgendeine Unterkunft oder ein Restaurant machen, da jeder andere Ansprüche hat. Doch in Punta Arenas mache ich eine Ausnahme und empfehle einen Besuch im Restaurant OKUSA an der Kreuzung  O-Higgins/Av colon. Es war das Zusammenspiel von Einrichtung, Service, den Gästen und  dem Essen und das ganze noch zu einem günstigen Preis, dass mich hierzu bewogen hat.

Punta Arenas hat glanzvolle Zeiten hinter sich, was sich auch in den Gebäuden wiederspiegelt

alte Pracht in Punta Arenas, die Sarah Braun Villa im Zentrum.

alte Pracht in Punta Arenas, die Sarah Braun Villa im Zentrum.

und wie selbstverständlich auch in einer für Patagonien recht beeindruckenden Kirche.

–Die Bedienung lächelt mir zu. 1/2 Liter Wein habe ich bereits getrunken und so kann ich weiter schreiben.–

Mein nächstes Ziel ist Ushuaia auf Feuerland.

auf Feuerland - ein Baum hat es geschafft

auf Feuerland – ein Baum hat es geschafft

Meine Kolleginnen und Kollegen können sich vielleicht noch an jemanden erinnern, der in der Ecke des Großraumbüros saß, jedenfalls körperlich anwesend war und in Gedanken weit weg war und in gewissen Abständen immer etwas von „Sylvester in Ushuaia“ in den Raum warf.

Heiligenverehrung auf Argentinisch: Die „Difunta Correa” gilt als Beschützerin von Reisenden, die alleine durch die großen Weiten des Landes reisen, insbesondere verehrt von LKW-Fahrern. Oft findet man in Argentinien direkt neben der Straße kleine Schreine der Difunta, zu denen Reisende Opfergaben - meistens eine Flasche Wasser - bringen. So wie ich es gesehen habe, sind die Flaschen immer geöffnet

Heiligenverehrung auf Argentinisch: Die „Difunta Correa” gilt als Beschützerin von Reisenden, die alleine durch die großen Weiten des Landes reisen, insbesondere verehrt von LKW-Fahrern. Oft findet man in Argentinien direkt neben der Straße kleine Schreine der Difunta, zu denen Reisende Opfergaben – meistens eine Flasche Wasser – bringen. So wie ich es gesehen habe, sind die Flaschen immer geöffnet.

und noch ein Heiliger: Gauchito Gil gilt als eine Art Patron von Auto-, Bus- und Lastwagenfahrern und ist es üblich, zu hupen, wenn man an einem Schrein vorbeifährt, um Gauchito Gil damit zu grüßen. Im Gegenzug hofft man auf eine unbeschwerliche und unfallfreie Reise. Außerdem gibt es Pilgerreisen zum Pilgerort in Corrientes, um den Heiligen um einen Gefallen zu bitten. An seinem Todestag, dem 8. Januar, findet ein großes Fest zu seinen Ehren statt, an dem getrunken, gesungen und getanzt wird.

und noch ein Heiliger: Gauchito Gil gilt als eine Art Patron von Auto-, Bus- und Lastwagenfahrern und ist es üblich, zu hupen, wenn man an einem Schrein vorbeifährt, um Gauchito Gil damit zu grüßen. Im Gegenzug hofft man auf eine unbeschwerliche und unfallfreie Reise. Außerdem gibt es Pilgerreisen zum Pilgerort in Corrientes, um den Heiligen um einen Gefallen zu bitten. An seinem Todestag, dem 8. Januar, findet ein großes Fest zu seinen Ehren statt, an dem getrunken, gesungen und getanzt wird.

Nun war es endlich soweit. Ushuaia pflegt den Ruf, das Ende der Welt zu sein. Was die Hotelpreise anbelangt, ist Ushuaia aber allen anderen Regionen voraus, ist es doch Startpunkt für viele Antarktiskreuzfahrten. Auch ich hatte den Traum einer solchen Fahrt, doch angesichts der Preise von mind 6000 Euro für 12 Tage habe ich dann davon Abschied genommen.

statt Antarktis eben ein Kap Horn Bier in Ushuaia

statt Antarktis eben ein Kap Horn Bier in Ushuaia

Uhsuaia ist dem Grunde nach nichts besonderes. Doch das Gefühlt, am Ende der Welt zu sein, macht den Reiz dieser Stadt aus. Natürlich fahre ich noch einige Kilometer weiter nach Süden, doch nun ist der Reiz weg und ich will nur noch nach Norden in die Wärme.
Der Weg führt mich über Rio Grande auf Feuerland, einem von wohl 1000 Rio Grandes auf dieser Welt wieder nach Chile dann wieder nach Argentinien und über einsame Pisten an den Atlantik, hinauf in die Wärme.
Patagonien ist das Ziel vieler Reisender. So traf ich unterwegs auch ein Schweitzer Paar mit Tandem, wobei das besondere ist, dass sie fast blind ist, aber trotzdem weltweit Touren macht.
Eine der letzten Nächte im Süden brachte mir dann noch Nachtfrost. Ich wunderte mich schon, warum ich keine Lust verspürte, das Zelt und den Schlafsack zu verlassen. Raureif auf dem Motorrad lüftete das Rätsel. Doch jetzt bin ich in der Wärme angekommen und bin bis zur Halbinsel Valdes an der Atlantikküste geblieben, um dann wieder quer durch das Land Richtung Anden zu fahren. Davon mehr im nächsten Bericht. Es geht durch das touristische Gebiet der argentinischen Seen und des Weinanbaugebietes.
Gerd
PS.: die Flasche Wein ist leer, es ist Zeit für meine Siesta

Posted in Südamerika by with 1 comment.

Comments

  • Mario sagt:

    Hallo Gerd,
    wieder ein sehr, sehr interssanter Bericht. Ich hab ihn förmlich verschlungen.
    GENIAL, die Bilder, die geschilderten Eindrücke…als wenn man selbst dabei wäre.
    Und wenn ich so lese, dass man Leute trifft (auch noch aus Europa)so am „Ende der welt“, welche auch so eine Reise tätigen, ist das nicht einfach faszinierend??!!
    Wohl demjenigen, der sich so etwas zu traut und den Mut dazu hat. Da schließe ich dich mit ein!!! Ich zieh meinen Hut!
    Bis auf weitere Berichte von dir… halt dich senkrecht und weiterhin alles Gute
    wünscht
    Mario aus Achim

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