Uruguay – fast unverschämt entspannend

Uruguay – schon fast unverschämt entspannend

28.3.2016 – 13.04.2016

Kann man nach nicht einmal drei Tagen in einem Land schon so schwärmen? Warum eigentlich nicht!

Ich fange mal mit den negativen Seiten an:

  1. ich habe noch keine neuen Kreditkarten – mir wurden in Buenos Aires ja alle Karten gestohlen.
  2. Ich habe nur wenige Essensvorräte dabei, als ich in Uruguay Einreise
  3. meine Barmittel sind etwas begrenzt
  4. gestern habe ich mich mal wieder von Mücken überfallen lassen
  5. beim Versuch, den Luftdruck im Air-Dumpingsystem zu überprüfen, versagt die Technik und mein Motorrad ist plötzlich 10 cm niedriger

Und trotzdem fühle ich mich entspannt. Für alle hier aufgeführten Leiden bin ich selbst verantwortlich. Jedes Problem ist in Wirklichkeit keines und das Land entspannt vom ersten Augenblick an.

In Mercedes, dem ersten größeren Ort,  wechsele ich den ersten meiner beiden 100 US Dollarscheine, die mir Eric in Buenos Aires noch eingetauscht hat. So gönne ich mir erst einmal ein Eis, denn wie für mich gemacht ist an der Plaza, fast neben der Wechselstube, auch eine Helanderia, also eine Eisdiele. 80 Ur.Peso, ca. 2,3 Euro, kostet ein kleiner Becher, doch war dies genau richtig für mich.

Mittlerweilen ist es schon 17.30 Uhr und ich habe noch keinen Schlafplatz. Mein Navy meint, in ca. 30 km sei ein Campingplatz. Also fahre ich etwas zügiger, denn um 18.15 soll Sonnenuntergang sein. Halt, war da nicht gerade ein Hinweisschild mit dem Camping-, Restaurant- und Strandsymbol. Also biege ich von der Hauptstraße ab und folge der kleinen asphaltierten Straße. Kilometer um Kilometer nichts außer viel Weideland. Ich nähere mich aber dem Rio Uruguay. Doch dann, am Ende der Straße ein kleines Dorf direkt am Fluss und ein sauberer Campingplatz. Da jedoch schon Saisonende ist, bin ich der einzige Gast und es ist auch keiner da, um irgendwelche Gebühr zu kassieren. Meine Essensvorräte ergänze ich um einen Liter Bier, den ich in einem  Kiosk kaufe und am Sandstrand des Rio Uruguay einen perfekten Sonnenuntergang genieße und denke: „Es ist schon fast unverschämt schön hier.“ Mein Zelt baue ich mittlerweilen auch im Dunkeln auf und ich verbringe in absoluter Stille meine erste Nacht in Uruguay. Nur das Bier fordert seinen Tribut.

Am nächsten Morgen dann das Problem mit dem Airdumpingsystem. Beim Anschrauben der Pumpe entweicht mit einem Schlag die Luft und mein Motorrad ist 10 cm niedriger. Das Manometer ist undicht. Also pumpe ich nach Gefühl Luft auf und so sind die gefühlten 9 bar auch bald erreicht. So geht es zum touristischen Hotspot Uruguays nach Colonia de Sacramento. Kleine Gassen, Kopfsteinpflaster, alte Häuser, dazu ein wenig Schmugglerromantik und fertig ist ein Touristenmagnet. Jetzt ausserhalb der Saison sind die Hotelpreise auch akzeptabel, die Restaurants nicht überfüllt und die Bedienung zuvorkommend. An vielen Stellen stehen alte Autos aus einer vergangenen Zeit zur Dekoration. Und wenn jetzt ein Pferdefuhrwerk oder ein edler Einspänner mir entgegenkommen würde, ich glaube, ich würde mich nicht einmal wundern.

Bis nach Montevideo sind es ca 180 km. Das werde ich wohl in zwei Tagen schaffen. Also wähle ich nicht den direkten Weg, sondern fahre etwas ins Landesinnere.

Noch Alltag - Gauchos bei der Arbeit

Noch Alltag – Gauchos bei der Arbeit

Wie auf Bestellung taucht dann auch eine kleine Rinderherde mit zwei echten Gauchos auf. Auf der Piste kommt es dann auch zu meiner ersten Reifenpanne, zufällig direkt vor einer Farm, auf der auch ein Kompressor parat steht und auch Hilfe da ist, um das Motorrad auf eine Alukiste aufzubocken.

Europa läßt grüßen. Ortseinfahrt nach Nueva Helvecia

Europa läßt grüßen. Ortseinfahrt nach Nueva Helvecia

Einen Stopp lege ich noch in Nuevo Helvetia ein, und so brauche ich tatsächlich zwei Tage bis nach Montevideo.

Montevideo

Ich habe lange überlegt, warum Montevideo so einen Reiz auf mich ausübt. „An was denkst Du bei Montevideo? “ habe ich andere Reisende gefragt. Doch eine Antwort habe ich nicht erhalten. Ein Freund schrieb mir, ich solle ihm zurückschreiben, wenn ich „Das Haus in Montevideo“ gefunden habe. Doch dieses Haus aus dem gleichnamigen Film gibt es in Montevideo nicht, sondern es steht nach meiner Kenntnis in Eichstätt in Bayern. Und so bleibt Montevideo auch in Zukunft für  mich mit dem Mythos des Unbekannten erhalten.

Montevideo ist aus meiner Sicht keine besonders schöne Stadt. Sie hat auch weniger Prunkbauten als Buenos Aires. Die Plaza de Independencia wurde sogar durch zwei extrem hässliche Neubauten, eines ist ein großes Hotel einer weltweiten Kette, verunstaltet. Im Gegensatz zu Buenos Aires ist hier alles 3 Nummern kleiner. Genossen habe ich die verschiedenen Kaffeehäuser der Stadt. Doch die Uruguayer sind weniger Kaffeetrinker als Weltmeister im Mate trinken, dieses für meine Geschmacksnerven ungenießbare Getränk.

Matebecher und Thermoskanne - der ständige Begleiter

Matebecher und Thermoskanne – der ständige Begleiter

Zum Abschluss habe ich noch Willis Moto besucht und einen Ölwechsel machen lassen, und dabei eine Privatführung in seinem Oldtimermuseum genossen.

Willis Eigenbau

Willis Eigenbau

Willis Privatmuseum

Willis Privatmuseum

 

Dann ging es, bereits nach einer Woche, bei strömenden Regen weiter. Punta del Este ist der Urlaubsort in Uruguay. Ein Ort, der auch irgendwo an Spaniens Küsten sein könnte. Ein schöner Strand und unzählige Bettenburgen, die jetzt aber verwaist sind. In Barra de Valizas dann die Aussteigeridylle. Direkt am Strand in den Dünen sind hier unzählige illegale Bauten entstanden und in einem dieser Häuser fand ich dann auch für drei Tage eine Unterkunft.

Brücke einmal anders

Brücke einmal anders

Meine Rundreise durch Uruguay ging dann am Atlantik weiter bis zur brasilianischen Grenze, und dann quer durch das Land durch dünn besiedeltes Gaucholand wieder zurück an den Rio Uruguay. Den Abschluss bildeten 3 Tage in den Terma del Arapey. Der Campingplatz kostete zwar mit ca 8 Euro pro Tag etwas mehr, doch dafür waren ja auch die verschiedenen Thermalschwimmbäder im Preis inclusive.

So verließ ich nach knapp 3 Wochen entspannt Uruguay, um in Argentinien einen der Höhepunkte Südamerikas, die Iguazu Fälle anzusteuern.

Gerd

ein paar Fakten zu Uruguay: Uruguay ist etwa halb so groß wie Deutschland, hat aber weniger als 4 Millionen Einwohner und ca 40% leben in Montevideo. Galt Uruguay lange als demokratisches Musterland Südamerikas, so führte Mißwirtschaft auch hier zu einem Militätputsch mit einer 11 jährigen Militärdiktatur. Bezogen auf die Einwohnerzahl hatte Uruguay die meisten politischen Gefangenen. Auch hier unterdrückte das Militärregime mit Folter und Mord das Volk und führte das Land in den Bankrott. Die Verbrechen wurden bisher nicht aufgearbeitet. Das Militär hat zum Ende der Diktatur belastendes Material so weit als möglich in die Kasernen geschafft und somit ausserhalb der Reichweite der zivilen Gerichte.

Zitat aus der Berliner Zeitung vom 20.12.2007:

Bordaberry gilt als Geburtshelfer der brutalsten Militärdiktatur in der Geschichte Uruguays, die bis 1985 andauerte. Es war die Zeit, in der unter dem Namen Operation Condor und mit Hilfe des CIA gemeinsame militärische Aktionen von Chile, Argentinien, Paraguay, Bolivien, Brasilien und Uruguay gegen Dissidenten stattfanden. Uruguay hatte die meisten politischen Gefangenen gemessen an der Bevölkerungszahl. Es war eine Zeit des absoluten Terrors der Militärs, gestützt durch die politischen Führungskräfte.


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Comments

  • Etsche sagt:

    Hallo,
    Montevideo hat auf mich auch immer einen Reiz
    ausgeübt. Schon als Jugendlicher war das so.
    Ich hielt als Junge Montevideo für ein Land ganz
    weit, weit weg das nie zu erreichen ist.
    Nun habe ich durch Sie Montevideo noch besser
    kennen gelernt und ich brauche nicht mehr von
    dieser Stadt zu Träumen.
    Besten Dank dafür sagt Etsche

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