Luisa Ludwig – sie werden sie schon finden

Mit diesen Worten verabschiedete sich Martin von mir, den ich kurz vorher in Bremen in der Abflughalle des Flughafens getroffen habe; er war auf dem Weg nach Basel und ich auf dem Weg nach Santiago de Chile. Nach einer kurzen Recherche im Internet fand ich auch eine Luisa Ludwig mit einem Hotel in Puyuhuapi. So bin ich  am 11.12.2015 nach genau einem Monat in Chile hier angekommen.  Luisa hat hier ihre frühe Kindheit verbracht. Mit 18 Jahren ist sie nach Deutschland gegangen und hat hier studiert und auch einige Jahre als Psychologin gearbeitet. Nach 18 Jahren Aufenthalt ist sie i ihre Heimat Chile zurückgekehrt und im Jahre 2000 in das Haus ihrer Kindheit zurück nach Puyuhuapi gegangen.

Luisa Ludwig, mein erster Gast auf dem roten Stuhl in Südamerika

Luisa Ludwig, mein erster Gast auf dem roten Stuhl in Südamerika

Ihr Hotel ist ein beliebter Anlaufpunkt für Reisende jeglicher Art. Luisa hat das alte Siedlungshaus, es ist in Chile ein Kulturdenkmal, renoviert und eine Herberge für Urlauber geschaffen, in der man sich auch an einem Regentag, und davon gibt es in Patagonien genug, wohl fühlen kann. Auf meine Frage, was denn die markantesten Veränderungen bei den Reisenden seien, kam spontan das höhere Anspruchsdenken vieler Touristen zum Ausdruck. Damit war nicht nur der Anspruch an mehr  Komfort gemeint, sondern Attraktionen der Region sollten jederzeit erreichbar.

wilde Flüsse gibt es hier genug. Dieser durch Gletscherwasser gefüllte Strom macht aber auch Angst vor der Erderwärmng

wilde Flüsse gibt es hier genug. Dieser durch Gletscherwasser gefüllte Strom macht aber auch Angst vor der Erderwärmng

der hängende Gletscher Nationalpark Queulat

der hängende Gletscher Nationalpark Queulat

Die Arbeit als Hotelbesitzerin scheint Luisa nicht auszufüllen.Sie hat die Geschichte um die Besiedlung dieser Region aufgearbeitet. das von ihrem Vater, der zu den ersten Siedlern hier gehörte, mit geprägt wurde. Die Region war bis vor ca. 30 Jahren noch vom Rest Chiles abgetrennt und nur mit dem Schiff oder Flugzeug zu erreichen. Heute ist das Gebiet durch die Carretera Austral mit Centralchile verbunden. Wenn man aber bedenkt, dass es z.B auf einer der Fährverbindungen auf dieser Route nur 2 Abfahrten täglich gibt, bei meiner Abfahrt, der beliebteren Morgenstour, waren neben 8 Motorradreisenden noch ein Bus, 2 LKW und ca 15 PkW an Bord, dann kann man eine Vorstellung bekommen, wie abgeschieden diese Region trotzdem ist. Auf meine Frage, was Menschen bewogen haben mag, in  diese Abgeschiedenheit auszuwandern, erhielt ich die für mich einleuchtende Antwort, dass es einerseits die politische Situation in Europa in den 30 Jahren des 20. Jahrhunderts war, aber zu einem nicht unerheblichen Teil auch Abenteuerlust. Die ersten Siedler hatten zwar einen Mäzen in Deutschland, doch waren sie in der Wildnis absolut auf sich alleine gestellt.

Luisa hat viele der Zeitzeugen noch interviewt und diese Interviews in einem Buch zusammengetragen, auch liegen unzählige der Briefe vor, die Zeugnis davon abgeben über die harte Arbeit, aber auch über die Früchte dieser Arbeit.  Seit 2000 lebt und arbeitet Luisa in dem ehemaligen Siedlerhaus und hat es zu einer ersten Adresse in Patagonien ausgebaut. Ich meine damit nicht ein 5 Sterne Hotel, sondern ein Haus, in dem sich die Reisenden austauschen und Luisa auch ihre Kenntnisse über die Region weitergibt.

Doch das Hotel scheint ihr nicht genug Arbeit zu machen. So ist sie, zwar nicht mehr in offiziellen Funktionen, doch immer noch beratend und unterstützend in der Gemeinde- und Touristikarbeit tätig. Sie ist so etwas wie die „Graue Eminenz“, nicht im negativen Sinne sich die Strukturen für die eigenen Vorteile zu nutze zu machen, sondern aus dem Hintergrund die Entwicklung zu beobachten, auch die Weiterentwicklung zu beeinflussen und ihre Netzwerke zum Wohle der Region einzusetzen.

Ein aktuelles Thema lag mir noch am Herzen, worüber ich mit Luisa sprechen wollte. In einem Bericht hatte ich vor einiger Zeit gelesen, dass Historiker die Rolle der Deutschen bei der Besiedlung und Entwicklung Chiles unterschiedlich betrachten. Eine Gruppe hält die Leistungen, z.B viele deutsche Schulen und die Vermittlung der sogenannten Arbeitstugenden als herausragende Pionierarbeit. Eine andere Gruppe hingegen vertritt die Meinung, die Deutschen damit sind alle deutschsprachigen Siedler gemeint, hätten sich nie in Chile integriert. Für Luisa stellt sich die Frage nicht und sie bezweifelt diese Aussagen auch, denn Besiedlung ohne Integration wäre nicht möglich gewesen.

Gerd

PS.: Die Zeit ist das kostbarste, was ein anderer mir geben kann. Danke Luisa für die Zeit, die du mir für dieses Gespräch gegeben hast.


Posted in Der rote Stuhl auf Reisen, Menschen auf dem roten Stuhl by with 4 comments.

Comments

  • Carsten sagt:

    Hallo Gerd,
    heute ist Weihnachten und ich habe endlich Zeit hier mal was zu schreiben. Wir (Sabine und ich) sind Deinem Tip gefolgt und haben auf unserem Weg nach Norden ebenfalls in der Case Ludwig Quartier bezogen. Wirklich schön, hier hätte man es noch etwas aushalten können. Aber unser Zeitplan ist leider wesentlich enger als Deiner…

    Ich wünsche Dir noch eine sichere und erlebnisreiche Reise. Vielleicht trifft man sich ja noch mal irgendwo „On The Road“.

    Viele Grüße
    Carsten

    • gerdjanke sagt:

      Dann wünsche ich euch auch ein schönes Weihnachtsfest. Ich bin in Punta Arenas angekommen und werde wohl noch ein oder zwei Tage hier bleiben. Obwohl hier gerade Sommer ist und wir uns au dem gleichen Breitengrad wie Bremen, nur auf der Südhalbkugel, befinden, ist es jetzt mit tagsüber max, 11 Grad kälter als in Deutschland. Und in einem Caffee hier spielten sie deutsche Weihnachtslieder.
      Ich wünsche euch noch viele schöne Motorradstrecken.
      Gerd
      PS.: Zeit ist ein großer Luxus

  • Etsche sagt:

    Hallo Herr Jahnke,
    noch schnell einen Gruß aus Eissel vor den Festtagen.
    Da in Chile außer Sauerkraut und Apfelstrudel auch der Christstollen
    gerne gegessen wird haben Sie zu Weihnachten etwas aus der Heimat.
    Liegt der zu schwer im Magen – dann einen Pisco.
    Aber Vorsicht bei zu viel davon. Piscu bedeutet auf Quechua „fliegender Vogel“
    Also alles Gute nicht nur zu Weihnachten wünscht Etsche

  • Etsche sagt:

    Hallo Herr Jahnke,
    die Übernachtungen sind wohl nicht so preiswert wie
    in Afrika. 18 km bis zum Hafen von Puyuhuapi waren
    Sie dort ? (nehme an natürlich)
    62 km bis zum Nationalpark , oder gleich weiter ?
    Beste Grüße von Etsche

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.